Coral Pink Sand Dunes - Paradies für Spurenleser und unerschrockene Fotografen
Nach einem Ruhetag in Kanab fahren wir am Dienstag, 1. Juni 2010 um 18 Uhr noch einmal in die Coral Pink Sand Dunes. Das Wochenende ist vorbei und in den Dünen ist wieder Ruhe eingekehrt. In einem Gebiet, für das man keinen Eintritt zahlen muss, hat eine Gruppe Kinder sichtlich Spaß. Die Kids laufen die Dünen rauf und rutschen fröhlich wieder runter. Außer uns ist noch ein weiterer Fotograf auf der Suche nach dem perfekten Motiv und dem perfekten Licht. Wie gesagt nehmen die Dünen nur am Abend oder bei schlechtem Wetter die orange Färbung an, die dem State Park seinen Namen verleiht.
Die Spurensuche beginnt
Während ich unzählige Dünen-Fotos mache, geht Manfred auf Spurensuche. Er hat einen Käfer entdeckt und ist ganz hin und weg. Die Dünen sind ja immer da - Tiere nicht. Irgendwann ist der Käfer weg und wir fahren in den eigentlichen State Park. Auch hier sind noch einige Wanderer unterwegs. Die Farben kommen recht gut - vor allem auf den Fotos. Heute können wir diese wunderschönen Dünen in aller Ruhe genießen.
Die Spurensuche wird aufregend
Bis Manfred eine weitere Spur im Sand entdeckt. Diesmal ist es kein Käfer. Diese Spur stammt eindeutig von einer Schlange. Und zwar nicht von irgendeiner Schlange, sondern von einer Schlange, die sich seitlich fort bewegt. Eine Sidewinder !!!
Wir haben vor 2010 auf unseren vielen Wanderungen in teilweise fast unberührter Natur bis dahin erst eine einzige lebende Klapperschlange gesehen. Das war ausgerechnet im Joshua Tree Nationalpark - direkt am Wanderweg und nur 10 Minuten vom Parkplatz entfernt. Und jetzt treffen wir hier vielleicht wieder eine an - in den Coral Pink Sand Dunes - einem Gebiet, in dem am Wochenende die Hölle los ist. Der Puls ist deutlich höher als am Sonntag, als die Dünenfahrer auf mich zugeschossen und nur wenige Meter vor mir abgedreht sind.
Atemlos folgen wir der Spur im Sand. Sie endet an einem kleinen Felsbrocken. Unter dem Felsen liegt die Schlange. Das sollte wohl ihr Nachtquartier werden. Wir beobachten sie einige Zeit.
Was tut man nicht alles für ein gutes Foto?
Dann macht Manfred etwas, was man eigentlich nicht machen sollte. Aber begeisterte Fotografen machen so einiges für ein gutes Foto. Er wirft einen Stein Richtung Fels, gezielt an der Schlange vorbei. Wir wollen das Tier ja nicht verletzen, sondern nur fotografieren. Das interessiert die Schlange gar nicht. Die Schlange im Joshua Tree NP hat sich auch erst mal tot gestellt, als wir näher ran gegangen sind. Wir wären damals in 10 Minuten im Auto und in einer halben Stunde im Krankenhaus gewesen. Das Risiko war also kalkulierbar. Ein gesunder Erwachsener überlebt einen Schlangenbiss, wenn er rechtzeitig das Gegengift gespritzt bekommt. Allerdings können Klapperschlangenbisse lebenslange Schäden verursachen, z. B. zerstörtes Gewebe.
Manfred riskiert es trotzdem. Er hebt ganz vorsichtig den Stein auf, unter dem sich die Schlange versteckt, und bringt sich mit einem beherzten Sprung in Sicherheit. Die Schlange bewegt sich immer noch nicht. Wir gehen etwas näher ran. Der Puls ist mittlerweile bei gefühlten 180 - wahrscheinlich nicht nur bei uns, sondern auch bei dem armen Tier. Uns ist schon klar, dass wir in ihrem Revier sind und nicht umgekehrt. Normalerweise lassen wir wild lebende Tiere auch in Ruhe und fotografieren sie aus gebührendem Abstand. Aber wir haben in den mittlerweile gut drei Wochen im Südwesten noch keine einzige Schlange gesehen. Nicht einmal eine tote. Und jetzt eine Siedewinder!
Warum rasselt da nichts?
Aber warum rasselt die eigentlich nicht? Der Klapperschlange im Joshua Tree NP ist es deutlich schneller zu dumm geworden. Wir schauen uns das Tier ein wenig genauer an, in Natura und durchs Tele. Keine Rassel zu sehen. Keine Rassel - keine Klapperschlange. Es ist nur eine harmlose Bullsnake. Aufregend war es trotzdem.
Auch harmlose Bullsnakes können zum Verhängnis werden
Allerdings ist diese Begegnung nicht ganz so aufregend wie die mit meiner ersten Bullsnake im Sommer 1995. Die lag damals mitten auf der Straße - irgendwo zwischen zwei Nationalparks. Da war einiges los. Deshalb stelle mich in sicherem Abstand vor das Tier, bis Manfred die Kamera aus dem Auto holt.
Mehrere Autos weichen aus - auch schon, als ich mit der Kamera auf die Schlange zugehe. Nur ein voll besetztes Auto aus einem Bundesstaat, in dem die Jagd auf Klapperschlangen ein Volkssport ist, fährt mit voller Geschwindigkeit weiter und direkt auf mich zu.
Der ist ein wenig näher dran als die Dünenfahrer in den Coral Pink Sand Dunes. Aber da stehe ich auch nicht mitten auf der Straße vor einer Schlange Eine Sekunde, bevor ich von der Straße gesprungen wäre, weicht das Auto doch noch aus. Fünf Köpfe drehen sich nach mir um, als ich mich nach dem davon brausenden Fahrzeug umdrehe. Die haben sicher genau so wenig Verständnis dafür, dass ich hier offensichtlich ein Kriechtier schützen will wie ich, dass es dem Fahrer scheinbar egal ist, dass ich da auf der Straße stehe. *)
Das war bisher mein aufregendstes Erlebnis mit einer Schlange, die nicht giftig ist. Genau genommen war es das aufregendste Erlebnis, das ich überhaupt jemals mit einer Schlange hatte. Auf jeden Fall war es das einzige Erlebnis mit einer Schlange, bei dem ich tatsächlich mein Leben riskiert habe. *)
*) Das ist eine persönliche Einzelerfahrung. Ich habe einige Jahre später sehr gute Erfahrungen mit Leuten aus demselben Bundesstaat gemacht. Ich möchte hier nichts verallgemeinern und auch keine Vorurteile schüren.